Gegen jede Vernunft. Surrealismus Paris-Prag

Gegen jede Vernunft. Surrealismus Paris-Prag

14. November 2009 - 14. Februar 2010

Zur Fotografieausstellung im Kunstverein
Die Ausstellung im Kunstverein Ludwigshafen widmet sich ausschließlich der surrealistischen Fotografie in Paris und Prag. Es werden über 180 Fotografien, überwiegend Vintage-Abzüge aus renommierten privaten und öffentlichen Sammlungen des In- und Auslands sowie zahlreiche Zeitschriften und Bücher präsentiert.

Die Ausstellung ist in neun thematische Einheiten gegliedert: Paris – Prag / Zufällige Begegnungen / Das Porträt / Spiel und Aktion / Fotografische Experimente / Weiblicher Körper – männlicher Blick / Der fragmentierte Körper / Das geheime Leben der Dinge / Traum und Vision. Diese nach Themen geordnete Präsentation gibt einen umfangreichen Einblick in die spezifische Ästhetik surrealistischer Fotografie, die sowohl technische wie inhaltliche Fragestellungen beinhaltet. In spannungsreichen Gegenüberstellungen von Werken französischer und tschechischer Fotografen werden Einflüsse wie auch spezifische Unterschiede offensichtlich und die Vitalität und Innovation beider surrealistischer Bewegungen dokumentiert.

Die surrealistische Fotografie in Paris und Prag
Das Medium nahm innerhalb der surrealistischen Bewegung in beiden Städten einen wichtigen Stellenwert ein. Viele Maler und Bildhauer (u. a. René Magritte und Hans Bellmer; Jindrich Štyrský und Karel Teige) entdeckten die Fotografie für ihre künstlerische Arbeit und beschäftigten sich eingehend mit dem damals "neuen" Medium. Sie waren die ersten, die das Medium zur Erkundung des Geheimnisvollen und Magisch-Rätselhaften im Alltäglichen sichtbar zu machen. Mit Hilfe von neuen fotografischen Techniken, wie Solarisation, Rayografie, Mehrfachbelichtung und Brûlage stellten sie Vetrautes fremd und überraschend neu dar. Eine medienspezifische theoretische Diskussion fand jedoch nicht statt. Nicht zuletzt mag der Grund dafür in der bewusst von den Surrealisten geforderten Aufhebung der bis dahin praktizierten Trennung der künstlerischen Gattungen zu finden sein.

"Wann wird man endlich damit aufhören, alle beachtenswerten Bücher mit Zeichnungen zu illustrieren und sie stattdessen nur noch mit Fotografien ausstatten", forderte André Breton, der Initiator der surrealistischen, in ihren Ursprüngen literarisch bestimmten Bewegung in Paris. In der Tat spielte das damals relativ junge Medium, wie in keiner anderen künstlerischen Strömung zuvor, eine herausragende Rolle. Bereits in den frühen 1920er Jahren wurden fotografische Bilder in Büchern André Bretons, Jindrich Štyrskýs und Jindrich Heisslers ( Nadja; L'Amour fou; Emilie kommt im Traum zu mir; Aus den Kasematten des Schlafs ) abgebildet. Auch in den programmatischen Zeitschriften in Paris und Prag, wie zum Beispiel La Révolution surréaliste (1924-29), Documents (1929-30) oder Minotaure (1933-39) und der tschechischen Zeitschrift ReD (Revue Devetsil, 1927-1931) räumte man der Fotografie als neuem Gestaltungsmittel viel Platz ein. Text und Fotografie wurden auf ungewöhnliche Weise so miteinander kombiniert, dass sie bewusst in keinem kausalen Zusammenhang zueinander standen. Der Leser sollte verblüfft und irritiert werden.

Der Einfluss Man Rays in Paris und Prag
Eine herausragende Stellung in Paris nahm Man Ray ein. Er schuf mit den von ihm entwickelten Mitteln der inszenierten Fotografie sowie der Rayografie und der Solarisation Aufsehen erregende Bilder und leistete einen entscheidenden Beitrag für die Entwicklung und Anerkennung der surrealistischen Fotografie.

Bereits 1922 brachte der tschechische Künstler Karel Teige in seinem bahnbrechenden Aufsatz "Foto Kino Film" seine hohe Wertschätzung für Man Ray zum Ausdruck und beeinflusste damit maßgeblich die Entwicklung der tschechischen Fotografie. Ein Jahr später fanden Man Rays Fotogramme in einer Ausstellung in Prag große Beachtung. Man Ray war ein Meister hocherotischer Inszenierungen des weiblichen Körpers. Auf ihn richtete sich im französischen wie im tschechischen Surrealismus, unter anderem in Fotomontagen von Karel Teige, František Vobecký und Jindrich Štyrský der begehrliche Blick. Die Darstellungen stellten beunruhigende Metaphern männlicher wie weiblicher sexueller Fantasien dar und wurden oftmals als provokant empfunden.

Der Besucher als Akteur
Der Ausstellungsbesucher wird im Kunstverein Ludwigshafen bereits beim Betreten der Ausstellungshalle auf die surrealistische Fotografie eingestimmt. Vor dem Eingang zur Halle steht eine überdimensionierte Rekonstruktion einer Balgenkamera durch deren dunkles Gehäuse hindurch der Besucher in die Ausstellung geleitet wird.

Ein beliebtes Spiel der Surrealisten war, sich gemeinsam vor unterschiedlichen Fotokulissen zu fotografieren. Im Foyer des Kunstvereins steht, in Anlehnung an eine surrealistische Postkarte, die Rekonstruktion einer Autokulisse, in der sich der Besucher mit der eigenen Kamera fotografieren lassen kann. Die originellsten Bilder dieser "Fahrt ins Ungewisse" werden auf der Homepage veröffentlicht.